»Der Unfall veränderte mein Leben«
Erdal Gültekin wird von seinem Motorrad gestoßen – Verursacher steht unter Betreuung des Wittekindshofes
Der 16. Juli 2014 hat das Leben von Erdal Gültekin verändert. Der 44-jährige Löhner ist mit seinem Motorrad in Bad Oeynhausen unterwegs, als er unverschuldet mit einem Fußgänger kollidiert. Die Folgen: ein dreifacher Schlüsselbeinbruch, starke Schmerzen und ein hoher finanzieller Schaden. Denn auf den Kosten bleibt Gültekin vorerst sitzen.
Es war ein sonniger Mittwoch, als Erdal Gültekin auf sein Motorrad gestiegen ist. Die schwarze Harley Davidson 48 Sportster ist der ganze Stolz des 44-Jährigen. Von Löhne aus führt ihn seine Tour an diesem Tag nach Bad Oeynhausen. »Dort ist meine Bank. Ich wollte Kontoauszüge holen.« Auf der Herforder Straße – auf Höhe des Busbahnhofes – geschieht das Unglück. Ein 53-jähriger Mann, der nach Informationen dieser Zeitung unter Aufsicht des Wittekindshofes steht, rennt plötzlich auf die Fahrbahn. »Der Mann hat geschrien und ist auf mich zugelaufen. Ich wollte noch ausweichen, aber es war schon zu spät«, berichtet Gültekin, der mit dem Mann kollidiert und zu Boden fällt.
Im Krankenhaus Bad Oeynhausen diagnostizieren die Ärzte später schwere Prellungen und einen dreifachen Schlüsselbeinbruch. Die Operation unter Vollnarkose dauert 150 Minuten. Seitdem muss der Löhner, der seit dem Zusammenstoß nicht mehr arbeiten kann und in wenigen Wochen noch einmal operiert wird, täglich zwölf Tabletten nehmen. »Ansonsten sind die Schmerzen zu groß und ich kann nicht einschlafen.«
Neben den Schmerzen und dem Bangen, ob die Schulter jemals wieder voll hergestellt sein wird, hat Gültekin seit dem Unfall finanzielle Ängste. Beruflich befindet sich der Löhner derzeit noch in der Probezeit. Er weiß nicht, ob er nach der geglückten zweiten Operation und Physiotherapie überhaupt weiter arbeiten kann. »Kein Arzt kann mir garantieren, dass ich die Schulter wieder zu hundert Prozent belasten kann. Es geht um meine Existenz«, sagt Gültekin. Seine Harley Davidson ist zudem nicht mehr fahrtüchtig. »Die Gabel ist verbogen, die Schaltung kaputt. Das Getriebegehäuse ist auch hinüber. Der Schaden beträgt mehrere tausend Euro.«
Der Wittekindshof, unter dessen Aufsicht der vermutliche Unfallverursacher steht, habe sich nicht persönlich bei ihm gemeldet, klagt Gültekin. »Man hat mich nicht angerufen oder angeschrieben. Niemand hat gefragt, wie es mir nach dem Unfall geht«, sagt der Löhner. Von einer christlichen Organisation wie dem Wittekindshof hätte ich das nicht gedacht«, sagt Gültekin, der selbst gläubiger Christ ist und ein großes Jesus-Tattoo auf dem Rücken trägt.
Zudem ist der 44-Jährige seit Jahrzehnten mit der Einrichtung verbunden. Früher habe er in Volmerdingsen gewohnt und kennt daher die Arbeit der diakonischen Stiftung. »Beim Sommerfest bin ich mit der ganzen Familie und meinem Motorrad gekommen. Da habe ich die Bewohner auf dem Sozius mitgenommen und bin mit ihnen eine Runde gefahren – bei Regen und Wind.« Fotos auf Facebook zeigen einen glücklichen Erdal Gültekin mit lachenden Kindern. Zuletzt sei er Mitte Juni auf dem Gelände des Wittekindshofes gewesen, um mit den Bewohnern Motorrad zu fahren. Zwei Monate nach dem letzten Sommerfest lacht der Löhner aber nur noch selten – zu groß sind die Schmerzen, zu viel Kraft kostet ihn die Angelegenheit. Denn über seinen Anwalt hat Gültekin die Nachricht erhalten, dass der Bewohner des Wittekindshofes nicht für den Schaden aufkommen wird. »Man hat uns mitgeteilt, dass es zu keiner Schadensregulierung kommt, weil der Mann keine Haftpflichtversicherung besitzt«, erklärt er.
Die Pressestelle des Wittekindshofes wollte sich am Montag auf Nachfrage dieser Zeitung nicht zu dem Fall äußern.
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